Zusammenfassung des Strukturwandelforums der Europäischen Kommission

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Aktuelle Herausforderungen

Unternehmen betrachten den Strukturwandel als negativen Faktor für Beschäftigung und Arbeitsbedingungen, zugleich aber auch als grundsätzlich wichtig für ihr Überleben und die Weiterentwicklung. Es muss danach gestrebt werden, die Auswirkungen des Strukturwandels auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen zeitlich und in ihrem Umfang möglichst auf ein Minimum zu begrenzen.

Der Strukturwandel ist im Falle der Unternehmen eine Form der kontinuierlichen Produktionsumgestaltung, die aufgrund zahlreicher Faktoren notwendig wird.

Die Entstehung des Europäischen Binnenmarktes und die Öffnung der Wirtschaften sowie deren Teilnahme am internationalen Wettbewerb bedeuten für die Unternehmen neue Möglichkeiten, wirtschaftliche Dynamik, Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen, die hohes Fachwissen erfordern.

Der Wettbewerb auf dem EU-Binnenmarkt fördert Wohlergehen und dauerhafte Beschäftigung.

Innovation ist der Hauptmotor für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie die Neubelebung der Wirtschaft. Auch technische Innovation löst den Strukturwandel aus:

* neue Informations- und Kommunikationstechnologien beschleunigen und verbilligen den internationalen Handel und die Produktionskoordinierung,

* während neue Anwendungen entstehen, die wiederum kreativere und qualitativ bessere Arbeitsplätze als früher entstehen lassen,

*  auch durch neue Fertigungsprozesse und –methoden werden qualitativ bessere Arbeitsplätze geschaffen,

* für deren Besetzung eine Berufsausbildung neuer Art erforderlich ist.

* Auch durch Innovation im Bereich Ökologie entstehen neue Arbeitsplätze, wodurch unser sozialer Wohlstand erhöht wird.

Neue Rechtsregelungen, oder die Deregulierung, haben zu Veränderungen in der Produktion und auf dem Arbeitsmarkt geführt.

Quantitative Gesichtspunkte: Anpassungsmaßnahmen führen zu einer Neuverteilung von Arbeitnehmern im Produktions- und Dienstleistungsbereich. In Europa steigt die Zahl neuer Arbeitsplätze in Wirklichkeit an: Von 1977 bis 2002 entstanden netto 30 Millionen Arbeitsstellen, und das wie folgt: 44 Millionen wurden im Dienstleistungsbereich geschaffen, andererseits mindestens 7 Millionen in der Industrie und 7,5 Millionen in der Landwirtschaft abgebaut. Jahr für Jahr werden 10 Prozent der europäischen Unternehmen gegründet und aufgelöst. Schätzungen zufolge werden täglich im Durchschnitt zwischen 5.000 und 15.000 Arbeitsplätze geschaffen und abgebaut.

Qualitative Gesichtspunkte: In Europa besteht in bestimmten Branchen die Tendenz zur Entstehung von Arbeitsplätzen von höherer Qualität und Produktivität. Im Dienstleistungssektor ist die Beschäftigung in den vergangenen 20 Jahren gewachsen: So arbeiteten 2003 von 3 Personen 2 in diesem Bereich. In den letzten 5 Jahren stieg die Beschäftigung im Dienstleistungsbereich um 25 Prozent. Von 1998 bis 2003 konnte in der EU-15 bei drei Arbeitnehmerkategorien ein Beschäftigungswachstum festgestellt werden: 2,2% bei gering qualifizierten Arbeitnehmern, 14,2% bei Arbeitnehmern mit mittlerer Berufsausbildung und 25,1% bei Arbeitnehmern mit hoher Qualifikation. Gleichzeitig sank der Anteil der Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation an der Gesamtbeschäftigtenzahl.

Arbeitnehmer bewegen sich nicht automatisch von einem Bereich in den anderen. Als positiv zu bewerten ist die Tatsache, wenn ein für einen anderen gewechselter, besonders gefährlicher und verschmutzter Arbeitsplatz gestrichen wird. Neu entstandene Arbeitsplätze werden jedoch nicht unbedingt von denjenigen besetzt, die anderswo entlassen wurden, weil nicht immer Ort und Fachkräftebedarf zusammenfallen.

Diese Veränderungen haben die verwundbarsten Bevölkerungsgruppen betroffen, besonders Arbeiter mit geringer Berufsausbildung.

Die Öffnung der Wirtschaft führt zu einem Wachstum von Wirtschaft und Beschäftigung, zwingt aber gleichzeitig die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu kostspieliger Anpassung.

Auswirkungen:
- Die Kosten für die Öffnung der Wirtschaft     konzentrieren sich im Allgemeinen auf bestimmte Sektoren bzw. Bereiche.
- Die Natur der Kosten ist derart, dass sie nicht direkt an dem Nutzen, der sich aus der Öffnung ergibt, gemessen werden können.
- Es muss eine gewisse Zeit vergehen, bis die Vorteile, die sich aus der Öffnung der Wirtschaft ergeben, nach Abzug der Kosten sichtbar werden.
- Kosten und Nutzen zeigen sich nicht an gleicher Stelle.

Zwecks verbesserter Koordinierung der Gemeinschaftspolitik sind Konvergenz und Synergien zwischen den verschiedenen internen Zielen, Politiken und Aktionen notwendig.

Reform der Europäischen Beschäftigungsstrategie

* vor dem Strukturwandel und im Zuge desselben: Arbeitsmarkt muss mehr Menschen anziehen und binden

* Anpassungsfähigkeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern muss sich verbessern, und

* größere Investitionen in Humankapital sind nötig.

Im neuen Entwurf für die Regelung des Europäischen Sozialfonds (Finanzplanung 2007-2013) wird diese Rolle verstärkt, besonders im Zusammenhang mit folgenden Faktoren:

- Erhöhung der Anpassungsfähigkeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Zusammenhang mit dem Strukturwandel in Branchen und bei Unternehmen

- durch Förderung von Investitionen in das Humankapital und das lebenslange Lernen kann der Europäische Sozialfonds Ausbildungssysteme von hoher Qualität, die örtlichen Erfordernissen entsprechen und auf breiten Partnerschaften basieren, unterstützen.

- durch Beschäftigungs- und Innovationspakte sowie Partnerschaften auf landesweiter, regionaler und örtlicher Ebene, z.B.: die neue Regelung wird Anreize für die Einrichtung von Systemen vor wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen schaffen,

* durch Steigerung der institutionellen Fähigkeit und Effizienz der Betroffenen, z.B. durch Ausbildung von „ Managern zur Bewältigung des Wandels“,

* durch Intensivierung von Synergien und Partnerschaften zwischen den Verantwortlichen für die Berufsausbildung und den für die Regionalentwicklung zuständigen Partnern,

Verstärkung von Partnerschaften zur Bewältigung des Wandels

* Intensivierung des Sozialdialogs auf Branchenebene
* soziale Verantwortung der Unternehmen
* Einrichtung eines Forums „Strukturwandel“

Rolle der Sozialpartner

* In den europäischen Branchensozialausschüssen hängt es von ihnen ab, ob Methoden für die Zeit vor dem Strukturwandel ausgearbeitet werden, besonders im Hinblick auf die Folgen der Verhandlungen laut Absatz 2.4. und ihre eigenen Initiativen für das Branchen- und Regionalmonitoring.

* Angesichts ihrer speziellen Kenntnisse von ihren eigenen Branchen, spielen sie auf allen Ebenen eine Rolle im Hinblick auf die Information und Alarmierung der Behörden. Wenn die Sozialpartner beschließen, den Ausschuss im Falle eines besonders besorgniserregenden Ereignisses zu alarmieren, kann der Ausschuss entscheiden, eine strenge Branchen- oder Regionalkontrolle gemäß obiger Absätze 2.1.3. und 2.1.4. durchzuführen.

Zweiter Abschnitt der Konsultationen zwischen den europäischen Sozialpartnern über den Strukturwandel von Unternehmen und die Europäischen Betriebsräte

* stärkere Einbeziehung der Sozialpartner in der Phase vor strukturellen Unternehmensveränderungen und in deren Verlauf, da sie die Akteure von Schlüsselbedeutung für effiziente Maßnahmen bezüglich des Strukturwandels sind.

* die Sozialpartner werden aufgerufen, ihre begonnene Arbeit zur Unterstützung der Anwendung der Richtlinien, die anhand bester Beispiele für den Strukturwandel ausgearbeitet wurden, und der Europäischen Betriebsräte fortzusetzen.

Ziel ist es, zwischen ihnen eine Vereinbarung über Wege und Mittel in folgenden Fragen zu erreichen:

* Anwendung von Mechanismen zur Gewährleistung der Umsetzung und des Monitorings von bereits bestehenden Richtlinien für den Strukturwandel sowie Fragen hinsichtlich weiterer Schritte

* Unterstützung der Anwendung bester Beispiele, die sich auf den Strukturwandel beziehen und in den bereits vorhandenen Richtlinien enthalten sind

* Popularisierung von besten Beispielen für die Arbeit von Europäischen Betriebsräten mit dem Ziel, diese noch effizienter zu machen, besonders im Hinblick auf ihre mögliche Rolle bei der Bewältigung des Strukturwandels

* Ausarbeitung gemeinsamer Ansätze für andere Punkte dieser Kommunikation, die für die Sozialpartner von Interesse sind, besonders im Hinblick auf Bildung, Mobilität, Branchenbelange und Schritte vor dem Strukturwandel.


Schlussfolgerungen

* Der Strukturwandel kann wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt fördern, aber nur dann, wenn vor dem Wandel die richtigen Schritte unternommen werden, die Unternehmen die erforderlichen Veränderungen schnell und effizient durchführen und durch staatliche Hilfe gewährleistet wird, dass die Veränderungen unter entsprechenden Bedingungen stattfinden.

* Eine Politik, die Veränderungen zu stoppen und einzufrieren bemüht ist, schiebt die Probleme nur auf und verstärkt negative Auswirkungen,

* Sie verlangsamt die Innovation und kann zu einem Verlust der Wettbewerbfähigkeit der Unternehmen in Europa führen. Außerdem ist eine Politik, die die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer vermindert, für Wachstum und soziale Kohäsion außerordentlich  hinderlich.

Vier grundsätzliche Forderungen:

* Konsistenz unter den verschiedenen Politiken, wenn durch Wachstum und Strukturwandel ein Verlust des Humankapitals vermieden werden soll.

* Notwendigkeit einer langfristigen Perspektive, die verschiedene Gemeinschaftspolitiken beinhaltet. Wenn Wirtschafts- und Sozialakteure effizient auftreten wollen, müssen sie vorausschauen können.

* Beteiligung aller betroffenen Akteure ist nötig, besonders die der Sozialpartner

* Berücksichtigung der örtlichen Dimensionen, denn besonders auf örtlicher Ebene können Maßnahmen vor dem Strukturwandel am effizientesten sein. Aus diesem Blickwinkel gesehen, muss die Regional- und Kohäsionspolitik der EU die Rolle eines Katalysators spielen.

Vorgeschlagene Schritte:

* Überprüfung der Europäischen Beschäftigungsstrategie, besonders anhand von drei Prioritäten: Anreize für die Steigerung der Beschäftigungsrate, Erhöhung der Anpassungsfähigkeit von Arbeitnehmern und Arbeitsgebern, höhere Investitionen in das Humankapital

* Finanzmittelreform als Beitrag zur Lissabon-Strategie, besonders Verstärkung der Kohäsionspolitik, in den Bereichen Europäischer Sozialfonds, europäische Bildung und lebenslanges Lernen

* Für den Schutz vor unvorhersehbaren Ereignissen Einrichtung eines Wachstumsausgleichsfonds (Ausstattung € 1 Milliarde) sowie, als Teil der Kohäsionspolitik, eines Reservefonds (in Höhe von 1% des Konvergenzfonds und 3% des Wettbewerbsfähigkeitsfonds)

* Förderung grundsätzlicher Sozialnormen, angemessene Arbeitsbedingungen und Sozialdialog in der Außenpolitik

* Genaueres (vertieftes) Monitoring des Strukturwandels durch den Europäischen Strukturwandel-Monitor

* Intensiveres Branchen- und Regionalmonitoring in den Branchen, in denen eine erhebliche Veränderung der kurzfristigen Wettbewerbsfähigkeit zu erwarten ist.

* Stärkere Einbeziehung der Branchenausschüsse für den Sozialdialog in Fragen des Strukturwandels

* Einrichtung einer ausschussinternen Arbeitsgruppe zum Thema Strukturwandel

* Bildung des Forums „Strukturwandel“

* Grünbuch zur Weiterentwicklung des Arbeitsrechts

* Förderung der Arbeitskräftemobilität innerhalb der Gemeinschaft

* Einleitung der zweiten Phase von Konsultationen zum Thema Strukturwandel und Europäische Betriebsräte mit den Sozialpartnern, besonders zur Anwendung der Richtlinien, die beste Beispiele für den Strukturwandel und die Arbeit der Europäischen Betriebsräte beinhalten.